Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Versmold

Baukörper

"Fenster der Vergangenheit"

Die Anfänge – Holz oder Stein?

Wenn im Jahr 1096 ein Kirchspiel Versmold urkundlich erwähnt wird, muss es dort auch eine Kirche gegeben haben. In der Regel waren solche Gotteshäuser einfache Fachwerkgebäude. Bei der Renovierung 2008/09 wurde jedoch in der Nähe des Turmes ein Steinfundament entdeckt. Es gehörte vermutlich zum Vorgängerbau der jetzigen Kirche. War also schon dieser frühere Bau aus Stein errichtet? Heute ist dieses Fundament durch ein so genanntes "Fenster der Vergangenheit" zu sehen.

Der älteste erhaltene Bauteil sind die beiden unteren Stockwerke des Turmes. Als Wehrturm war er im 12. und 13. Jahrhundert ein Zufluchtsort in den Fehden der Landesherren aus Osnabrück, Münster und Ravensberg.

Südportal im ersten Joch des Hauptschiffs

Die spätromanische Kirche

In der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde der erste Teil des heutigen Kirchenschiffs errichtet: die beiden Joche, die sich östlich an den Turm anschließen. Im linken Joch liegt der Eingang, der bis heute als Hauptportal genutzt wird. Die Formensprache verweist in den Übergang von der Spätromanik zur Gotik: etwa die pflanzlichen Elemente an den beiden kleinen Säulenkapitellen. Dies unterstützt die Datierung in die Zeit um 1250.

Die damalige Kirche bestand aus den ersten beiden Teilen des heutigen Hauptschiffs. Es sind zwei nahezu quadratische Joche mit Kreuzrippengewölbe. Die Fenster dürften die Größe des Rundbogenfensters oberhalb des Südportals gehabt haben. Das Gewölbe des ersten Jochs und das Fenster des zweiten wurden bei der spätgotischen Erweiterung erneuert. Errichtet ist die Kirche wie der Wehrturm aus dem im benachbarten Laer gewonnenen Sandstein ("Piepstein").

Die Kirche bildete mit den benachbarten Gebäuden einen geschlossenen Kirchhof samt Friedhof. Diese Bauten wurden jedoch beim Stadtbrand von 1804 vernichtet.

Südansicht im Jahr 1902

Die spätgotische Kirche

Wesentlich erweitert und umgestaltet wurde die Kirche in der Mitte des 16. Jahrhunderts, noch vor Einführung der Reformation. Der östliche Abschluss wurde abgerissen und durch zwei neue Joche ersetzt. Den neuen Abschluss bildete ein 3/6-Chor, der leicht nach Norden geneigt ist. Hohe Kreuzrippengewölbe und große Maßwerkfenster prägen seitdem den Bau.

Der Turm wurde um ein Glockengeschoss und ein Satteldach mit Treppengiebeln aufgestockt. Die Kirche hatte nun von Süden her ihr Erscheinungsbild erhalten, das sie (abgesehen von der Höhe des Daches) bis zur Umgestaltung der Jahre 1905/06 behielt.

Innenraum nach 1912

Die Norderweiterung im 18. Jahrhundert

Von 1737 bis 1751 wurde der Kirchbau um ein nördliches Seitenschiff erweitert. Bevölkerungswachstum und Erweckungsbewegung hatten den Raumbedarf erhöht. Zur schon vorhandenen Westempore wurde auch im neuen Seitenschiff eine Empore geschaffen, die so genannten "Priechen". Die Kirche verfügte nun über 1490 Sitze. Um den harmonischen Raumeindruck zu erhalten, wurde die Erweiterung in einer an die Gotik angelehnten Formensprache durchgeführt.

Die Petri-Kirche war nun eine Hallenkirche. Ein hohes Satteldach überspannt seitdem Haupt- und Seitenschiff und ist durch Fachwerkgibel abgeschlossen, deren östlicher noch heute sichtbar ist.

Im Jahr 2020

Die repräsentative Erneuerung nach 1900

Im Geist des Historismus wurde die Petri-Kirche ab 1905 repräsentiv umgestaltet: Die südliche Fassade wurde mit vier Quergiebeln geschmückt und das Satteldach des Turms mit einem Dachreiter. Am Altarraum wurde eine sechseckige Sakristei angebaut und der Innenraum der Kirche floral ausgemalt. 1912 hielt elektrisches Licht Einzug. Zum Abschluss dieser Renovierung wurde 1918 das Petrusfenster von der Oesterweger Familie Raabe gestiftet.

Damals erhielt die Petri-Kirche ihre äußere Gestalt, mit der sie bis heute die Versmolder Innenstadt als Wahrzeichen prägt.

Altarraum 1961

1960/61 Das große Aufräumen

Im sachlichen Geschmack der Zeit wurde die Kirche gründlich verändert. Orgel und Hochaltar wurden abgerissen, ebenso die alten Emporen (Priechen). Die Kirchenbänke und viele Ausstattungsstücke des 19. Jahrhunderts wurden entfernt. Eine neue Orgel wurde auf der Westempore errichtet. Der Altarraum erhielt einen schlichten Altartisch und ein großes bronzenes Hängekreuz. Die Fenster wurden zum Teil vergrößert und bekamen eine neue Verglasung mit abstrakter Ornamentik.
Je nach Standpunkt war es nun vorbei mit dem Muff von 1000 Jahren – oder dem Charme der geschichtlichen Patina.

Dachstuhl mit Oberseite der Gewölbekuppeln

Die jüngste Runderneuerung

Risse im Gewölbe gaben den Anstoß zur großen Renovierung im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts. Über lange Zeit war Bauschutt auf dem Gewölbe abgelagert worden. Dieser wurde entfernt und der Dachstuhl erneuert.

Nach einer Spendenaktion mit großer öffentlicher Anteilnahme wurde die Kirche von innen und außen saniert. Dadurch erhielt sie einen frischen, einladenden und doch historisch verwurzelten Charakter.

Quellenhinweise – Foto 1902: Westfälisches Amt für Denkmalpflege (nachträglich koloriert), Fotos 2020 und Dachstuhl: Hanheide